26 Februar 2007

Werteforum in Berlin: "Führungskräfte sind Paradoxiekünstler"

Ein voller Saal, eine sehr lebhafte Diskussion und anregende Gespräche bis um Mitternacht - das Werteforum der Wertekommission in Berlin war ein voller Erfolg.

Rund 100 Gäste waren dabei, als Moderatorin Corinna Lampadius die Runde im Hause des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands mit einem Zitat von Angela Merkel eröffnete: "Werte sind der Kitt" unserer Gesellschaft. Unter der Überschrift "Generation W - wie erfolgreich kann wertebewusste Führung sein?" drehte sich dann die Diskussion zunächst um die Erwartungen, die gerade jüngere Führungskräfte an die Unternehmen haben, für die sie arbeiten. Kai Hattendorf aus dem Vorstand der Wertekommission fasste dazu zentrale Ergebnisse der Führungskräftebefragung vor, die der Verein mit dem Institut für angewandtes Wissen in Köln erarbeitet hat. Jüngere Führungskräfte seien durch andere gesellschaftliche Debatten geprägt als die Älteren - daraus erwachse ein anderes Selbstverständnis dieser Generation. So stünde bei den jüngeren gerade der Aspekt der Nachhaltigkeit neben den Top-Werten Verantwortung, Vertrauen und Respekt hoch im Kurs.

"Diese Werte gehören in den Kopf jeder Führungskraft", unterstrich auch Bernhard Fischer-Appelt, dem es jedoch um mehr geht. Diese Werte seien eigentlich selbstverständlich - und daher ungeeignet, um die im Unternehmen besonders zu postulieren. "Da setze ich lieber auf aktivere, nach vorne blickende, aufmunternde Begriffe."

Generell aber stellt sich das Problem, dass Werte in Unternehmen schwierig zu vermitteln seien - schon rein operativ: "Wie machen wir denn einen Wert wie Vertrauen begreiflich?", fragte Uli Mayer-Johannsen - und als Chief design Officer hatte sie gleich eine Antwort parat: Man müsse bei der Vermittlung auf sinnliche Bilder setzen, nicht nur auf Texte und Charts. "Bei der Bebilderung von Vertrauen fällt mir sofort ein Motiv von Bergsteigern ein, die sich aufeinander verlassen müssen - die sich vertrauen müsen."

Entscheidend sei es, Werte im Unternehmen zu er-leben, unterstrich Carsten K. Rath. Er lässt seine Mitarbeiter jeden Tag für zehn Minuten zusammenkommen und sich austauschen, ehe sie sich den Kunden zuwenden. rath ist auch überzeugt, dass gute ökonomische Kennzahlen auf wertegerechtem Handeln basieren: "Mein Anspruch ist es, im meinem Markt die Ertragsführerschaft zu erreichen. Dazu brauche ich aber erst einmal die Qualitätsführerschaft, und aus ihr folgend die Marktführerschaft - und dafür brauche ich Werte in meinem Unternehmen."

In der lebhaften Diskussion zwischen Publikum und Panel stand die Frage im Mittelpunkt, inwieweit es für eigentümergeführte Unternehmen leichter sei, nachhaltig und werteorientiert zu sein, als für börsennotierte Kapitalgesellschaften. Interessanterweise widersprachen gerade die vertreter der Kapitalgesellschaften dieser Sichtweise - mit zwei Argumenten: Zum einen sei es durch regulatorische Anforderungen inzwischen so, dass Unternehmen ihr Verhalten in sekhr vielen Bereichen transparent machen müssten, in denen sie das früher vermeiden konnten - was auch dazu führe, dass das Fehlverhalten einzelner Unternehmen sehr viel häufiger öffentlich werde. Zum anderen seien die unmittelbaren Investoren nur eine von mehreren Stakeholdergruppen börsennotierter Unternehmen: Kunden, Mitarbeiter und Medien hätten mittelbar ebenfalls einen stetig steigenden Einfluß auf die Börsennotierungen von Unternehmen. Ein Teilnehmer der Diskussion fasste das mit dem passenden Bild zusammen: "Wir müssen den Homo Oeconomicus ergänzen durch den Homo Emotionalis."

Das nächste Werteforum wird im Mai in Stuttgart stattfinden.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es ist natürlich ein großer Unsinn, den homo oeconomicus mit dem homo emotionalis ergänzen zu wollen. Dem allgemein verständlichen Sprachgebrauch ist bereits zu entnehmen, daß es sich um unterschiedliche, m.E. diametrale Figuren handeln muß. Hätte jener Teilnehmer von Ersetzung gesprochen, dann hätte er näher dran gelegen. Freilich - aus der Gilde der TT erwartet man nichts anderes. Der oeconomicus ist nicht ergänzungsbedürftig, geschweige denn ergänzungsfähig. Seiner Effizienz muß gerade der andere Typus entgegenwirken. Sie schliessen einander konsequent aus.

wertekommission hat gesagt…

Liebe/r ks-igr,

Einspruch! Es geht nicht darum, hier Reinformen beider Denkweisen zu diskutieren - die dürfte es sehr sehr selten geben. Stattdessen brauchen Organisationen und Unternehmen von beiden Denkweisen etwas, wenn sie erfolgreich sein wollen.

BLOG hat gesagt…

Stellen wir mal - obigen Artikel außer Acht gelassen - die Reinform, welche ich eigentlich nicht grundsätzlich als gegenteilige beanspruche, in Abrede. Damit lägen wir auf Ihrer Frequenz. Dann sagen Sie, was wir "brauchen". Folgen Sie dann damit einem unabhängigen, also sich selbst entwickelndem Typus oder gehen wir von einer möglichen Beeinflussung (hin zur Änderung) aus. Dann erreichen wir (übrigens in beiden Fällen) auf irgendeiner Stufe eine Mischform beider Typen. Wir vernachlässigen weiter den Sanktionierungsansatz Dahrendorfs (hs) - das wäre beileibe schon unmöglich und was käme dann heraus. Der Mensch zwischen Egoismus und Freigebigkeit? Ich glaube, wir stießen schnell an Hobbes' Wölfisches oder an Kants Imperatives. Mich interessiert ganz praktisch, ob Sie floskeln oder wirklich eine Bestrebung haben. das kann man tiefer gehend aus dem Beitrag nicht filtern. Es sei denn, man unterscheidet im Beitrag zwischen Kopf und Herz. Ist also das Emotionale näher dem Imperativen oder der Gegensatz zum Wölfischen, das ich als Ergebnis der Effizienz nach Kirchgässner betrachte. Wenn also Ockenfels vom Ende des oeconomicus spricht und Fairneß als den großen aufflammenden Begriff bedient, dann scheint der "Krieg" am nächsten. Der Emotionale - meine ich - kann nicht (nie sogar) über seinen Schatten springen. Um fair zu sein, müßte er erst einmal "sammeln" gehen - eine Allokationsschwierigkeit. Das "Leben und leben lassen" wird mit beidem/n in einer Persönlichkeit kaum vereinbar sein, solange die Bedingung, ein "anhäufender oeconomicus" zu sein gleichzeitig die Vorbedingung für seinen emotionalen 'Hyde', wie sie ihn typisieren, ist. Ein spannendes Problem für mich ist die Alterative (?), d.h. reichen wirklich medial gestylte Begriffe aus, um die Akzeptanz einer Führungskraft zu erhöhen? Ich denke da nicht -keinesfalls- esoterisch, aber organische Managementstrukturen erweisen sich i.d.R. als kaum durchhaltbar, weil die Authentizität der Freundlichkeit als per se falsch infrage gestellt wird. Sie sehen, ich habe keine Lösung für seine einfache und über die Nennung hinaus gehende Darstellung. In aber vom Range der Wirtschaft und aus der Perspektive ökonomischer Eliten zu klären, wäre selbst pseudowissenschaftlich nicht durchhaltbar.

Nun, arbeiten wir weiter...

Herzlichen Gruß
ks-igr